Trainingslager Willingen 2019

 

Trainingslager Eislauf in Willingen vom 06.07.bis 16.07.2019

 

Wer im fortgeschrittenen Alter mit dem Eiskunstlauf beginnt, hat sich einiges vorgenommen. „Ruhe dich heute Nachmittag mal aus“, meinte unsere Übungsleiterin Beate nach dem Training. Ihr Wort war mir Befehl und die nächsten zwei Stunden blieb das Bett mein wohliges Zuhause. Oh weh, als ich erwachte und daran dachte, ein kurzes Resümee über unser Trainingslager zu schreiben, meldeten sich 206 Knochen, um ihr eigenes Statement dazu abzugeben. Nach einigen schönen Sommertagen, hatte es am Sonntag angefangen zu regnen. Meine Stimmung registrierte das miese Wetter und erwies sich als ausgesprochen anpassungsfähig.

Als Eisläufer hat man in Deutschland ein Problem: Fast jede erreichbare Halle schließt im März und vor Oktober braucht man die Schlittschuhe nicht mehr auszupacken. Muskulatur und Sehnen, die gerade in der Winterzeit so richtig in Fahrt gekommen waren, befinden sich im Juli in der Sommerpause. Eine Sommereisbahn wie in Willingen kommt sehr gelegen. Enthusiastisch nahm ich gleich nach der Ankunft die Eisbahn in Augenschein. Da tummelten sich große und kleine Läufer aus allen Leistungsklassen und staunend betrachtete ich die Trainingsgruppen, die aus ganz Deutschland angereist waren. Um 16 Uhr begann der Publikumslauf. Herrje, nach der langen eisfreien Zeit lief ich zitternd wie auf Eiern herum. Buchstäblich Schritt für Schritt wagte ich mich weiter voran. Irgendwann traute ich mir Mohawk, Pirouetten und Dreier zu. Stopp! Rechtzeitig mahnte eine warnende Stimme im Hinterkopf. 'Du hast noch zehn Tage je zwei Stunden Trainingseinheit und das abendliche Üben im Publikumslauf vor dir. Denk an den unvermeidlichen Muskelkater.'

Am nächsten Morgen gab es ein herzliches Wiedersehen mit Beate und Kerstin, die uns als Übungsleiterinnen auf unserem schwierigen Weg in den Eislaufolymp unterstützen wollten. Während des Einlaufens bekam ich bereits Bescheid aus meinem unteren Bewegungsapparat. Knie und Oberschenkel meldeten ohne Scheu Protest an. Die Füße sprachen gar von Streik. Mein Gehirn registrierte dies noch nicht als ernsthafte Bedrohung, denn es waren einfache Übungen und ich fühlte mich in der Fortgeschrittenen Gruppe angekommen. Das änderte sich schon eine Stunde später in der zweiten Runde. Ich musste erfahren, dass meine Dreier alles andere als perfekt waren und auch einige Schritte gar nicht zu dem passten, was ich mir angewöhnt und aus dem Internet angelernt hatte. Etwas nachdenklich erholte ich mich nach dem Training im Schwimmbad und schenkte meinen müden Knochen reichlich Wärme in der Sauna. An den folgenden Tagen wurden die Beine immer schwerer. Neben der Schwimmhalle laden in Willingen Seilbahn, Tierpark und Sommerrodelbahn zum Relaxen ein. Einige von uns versuchten sich in der Kletterhalle und eine Minigruppe nahm die Bogenschießanlage in Beschlag. Am nächsten Tag taten uns nicht nur die Beine vom Eistraining weh, sondern auch die Arme vom Spannen des Bogens. Aber wir hatten einen Mordsspaß gehabt.

Neue interessante Eindrücke brachten die Gespräche mit den Leistungsläufern aus den Vereinen. Teilweise tanzten so viele kleine Mäuschen um uns herum, dass wir aufpassen mussten, kein Mäuseragout zu fabrizieren. Beate gab uns den Tipp, bei herannahenden guten Läufern einfach stehen zu bleiben. Die wissen, was zu tun ist. Allerdings sollte man im Publikumslauf aufpassen. Wenn jemand wackelnd und unsicher auf einen zu läuft, heißt es besser: Rette sich, wer kann. Es gab alles: Vom kleinsten Minimäuschen, über große und mittlere Eisprinzen- und Prinzessinnen, bis zu bekannten Trainern, wie Marina Kielmann und Joti Polizoakis. Den Kleinen beim Trockentraining und in der Halle zuzuschauen, entschädigte für eigene körperliche Schwächephasen. Die Basics standen auf dem Programm und unsere Trainerinnen bemühten sich redlich, jedem passend zum Können gerecht zu werden.

Von Kerstin kam entweder ein Lob, nach dem Motto: Das Gute loben, das weniger Gute nicht erwähnen, oder sie sagte sicherheitshalber gar nichts. Von Beate lernten wir das wichtige Wort: Nein! Mal energisch, mal langgezogen, mal melodisch. Gottseidank gehörte es nicht zu ihren Lieblingsaussprüchen und unermüdlich wurden wir Großen an die Hand genommen und wieder auf den rechten Pfad zurückgeführt. Ach, tat das gut. Da wollte oft gar nichts klappen. Die Kantenwechsel und Mohawks, ob offen oder geschlossen, sahen bei Beate so einfach aus. Beim Nachlaufen merkten wir, wie schwer der schönste Sport der Welt sein kann, wenn man alles richtig machen will. Ja, und dann nahm mich Beate spontan in den Arm, als der Kummer am größten war. Ein Küsschen und ich wusste, ich war nicht allein. Den anderen ging es ebenso. Ein harter Kern blieb bis zum Schluss. Das waren Anne, Andrea und ich. Wir flachsten, dass wir nun Zeit hätten unsere Küren zu präsentieren.

Fazit: Zehn wunderschöne Tage, in denen wir viel lernen durften. Zehn Tage, die zeigten, was wir noch nicht konnten, aber deswegen auch Ansporn waren, fleißig zu üben. Eislaufen ist arbeitsintensiv. Ohne Fleiß kein Preis gehört zum Programm.

Liebe Beate, danke für den ruhigen Sonntagnachmittag, den ich am PC nutzen kann. Ich fühle mich wohler und glaube, ich werde um 16.30 Uhr den zweiten Publikumslauf wahrnehmen. Unsere Eishalle öffnet erst im Oktober und es liegen zwei eisfreie Monate dazwischen. Das Trainingslager für nächstes Jahr vom 18. bis 28. Juli 2020 in Willingen steht. In der Hoffnung gesund zu bleiben, freuen wir uns aufs Wiedersehen. Ich wünsche allen, die vom 06. bis 16. Juli 2019 hier dabei waren, eine erfolgreiche  Saison und drücke den kleinen und großen Wettkämpfern die Daumen.

Euch, Kerstin und Beate: Seid ganz herzlich gedankt für die stets offenen Ohren und eure Engelsgeduld. Für alle kleinen wie großen Eisprinzen- und Prinzessinnen aus der Gruppe:

Michael