Eiskalt

 

Die siebzehnjährige Miriam läuft seit ihrem sechsten Lebensjahr Schlittschuh. Sie lebt in Husum, trainiert in Hamburg und nimmt erfolgreich an Wettbewerben teil. Als eine Wintereisbahn in Husum eingerichtet wird, darf sie zur Eröffnung ihre Kür zeigen. Die Veranstalter erlauben der talentierten Eisläuferin zudem, die Bahn außerhalb der Öffnungszeiten zu nutzen. Als sie am Sonntagmorgen allein aufs Eis geht und mit dem Sprungtraining beginnt, bricht während der Landung nach einem zweifachen Axel die Kufe ihres Schlittschuhs ab. Das Mädchen stürzt und wird schwer verletzt. Im Verein ist man erschüttert, denn die Hamburger Meisterschaften stehen bevor und Miriam gilt als Favoritin.

Ihr Freund Tim eilt zu ihr ins Kreiskrankenhaus. Der Achtzehnjährige ist aus den Staaten nach Hamburg gekommen, wo er eine Berufsausbildung beginnen will. Er ist ebenfalls Eiskunstläufer und plant seine in Amerika begonnene Paarlaufkarriere fortzusetzen. Miriam sollte seine neue Partnerin werden. Traurig fährt er nach dem Krankenbesuch in die Hansestadt zurück. Die fünfzehnjährige Irina aus dem Eisclub tröstet ihn. Nach einer Geburtstagsparty landen die beiden im Bett. Irina beschwört Tim, ihre Beziehung geheim zu halten, damit Miriam nichts von seinem Ausrutscher erfährt. Der Junge ist nur zu gerne einverstanden. Miriams Verletzungen erweisen sich als sehr schwer, so dass sie aus Husum in eine Hamburger Spezialklinik gebracht wird.

Als Tim seine Schlittschuhe schleifen lässt, trifft er im Geschäft seine Cousine Tatjana. Er wechselt einige Worte mit ihr. Tatjana küsst den Vetter zum Abschied. Dabei wird sie von Irina, die gerade mit einer Freundin vom Dom kommend zur Eisbahn in Planten un Blomen schlendert, gesehen. Tatjana fährt am nächsten Tag zum Training in die Farmsener Eishalle. Sie zieht sich die Schlittschuhe an und läuft sich ein. Ihr Trainer erscheint. Sie soll mit dem Sprungtraining beginnen. Als Tatjana einen dreifachen Lutz probiert, bricht ihre Kufe aus der Sohle. Sie schlägt beim Sturz mit dem Hinterkopf aufs Eis und stirbt im Rettungswagen.

Der Besitzer des Geschäfts, in dem die Schlittschuhe gekauft worden waren, ist fassungslos. An einen Materialfehler kann er nicht glauben. Nach einem Gespräch mit dem Trainer untersucht er beide Paar Schuhe. Ihm fällt zunächst nichts Ungewöhnliches auf. Trotzdem sagt ihm sein Bauchgefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. Er nimmt eine Lupe zur Hand und entdeckt an beiden Schuhen winzige Kratzspuren, die von einem Schraubenzieher stammen und an den Stellen, im Schraubengewinde, mit dem die Kufe am Schuh befestigt ist, nichts zu suchen haben. Der Mann ist sich sicher: An den Schuhen wurde manipuliert. Zusammen mit dem Trainer schaltet er die Polizei ein. Die Kriminaltechnische Untersuchung bestätigt kurze Zeit später seinen Verdacht.

 

Montag, 11. Februar, Polizeipräsidium

Kriminalkommissarin Ariane Kleibert übernimmt den Fall zusammen mit ihrem Kollegen Max Sommer. Ariane sitzt im Büro und blickt Max, der am Fenster steht,  fragend an.

„Mord in der Eishalle“, meint sie. „So etwas hatten wir hier noch nicht.“ „Wobei noch nicht geklärt ist, ob es überhaupt Mord war“, gibt Sommer zu bedenken. „Du meinst, vielleicht wollte nur jemand die Mädchen schachmatt setzen?  Macht Sinn.  Wenn man jemand töten will, sind angesägte Schlittschuhe wohl nicht das probate Mittel“, entgegnet die Dreiundvierzigjährige. Sommer wehrt ab: „Nicht angesägt, die Kufe wurde  gelockert. Bei der Wucht, die die Landung nach einem Sprung darauf ausübt, ist es eine Frage der Zeit, wann die Schraube herausspringt. Wenn du mich fragst, da war eine Konkurrentin am Werk.“ Ariane nimmt ihr Handy und wählt. Am anderen Ende meldet sich der Trainer. „Herr Fricke, Kleibert hier, von der Kripo Hamburg. Ich brauche eine Liste aller Vereinsmitglieder und bitte Sie, morgen früh damit zu uns ins Präsidium zu kommen. Danke, Tschüss.“  

Sie sieht Sommer an. Der nickt mit dem Kopf.

„Gut, dann werden wir uns die Kids vorknöpfen, oder die Muttis, wer weiß. Am besten auch noch Undercover, was denkst du?“

Ariane trinkt aus ihrer Kaffeetasse.

„Ich habe eine Freundin bei der Husumer Polizei. Sie stammt aus Leipzig und war zu DDR Zeiten eine gute Eiskunstläuferin. Sie könnte mal wieder ein paar Trainingsstunden nehmen. In Husum gibt es nur die Weihnachtseisbahn. Das andere verletzte Mädchen stammt ja auch von dort. Ich werde gleich anrufen, und wir besprechen morgen früh mit dem Trainer, wie wir meine Bekannte in den Club einschleusen.“

Max hat sich auf seinen Bürostuhl ihr gegenüber gesetzt und sieht sich die Facebookseite des Vereins an.

 „Hübsche Mädels. Hier ist auch ein Bild der Toten. Und hier eines des anderen Mädchens. Dann freuen wir uns mal auf die Amtshilfe aus Husum. Wie heißt sich noch gleich: Kathi Witt?“ Sommer grinst.

„Sabine Reichert, und sie gehörte zum DDR Kader als Paarläuferin“, entgegnet Ariane.

Sie erhebt sich, nimmt ihr Handy und sagt: „Ich bin beim Chef, wegen der Amtshilfe.“ Sommer lächelt und wendet sich seinem PC zu. Nach einer halben Stunde kehrt Ariane zurück.

„Alles in Butter, die Husumer Kollegen trennen sich zwar nur schweren Herzens von Sabine, aber sie war gleich Feuer und Flamme. Sie wird bei mir wohnen.“ „Schön, dann warten wir auf Herrn Fricke und arbeiten offiziell seine Mitgliederliste ab. Wir sagen denen, dass wir nur routinemäßig ermitteln müssen und der Fall wohl als bedauernswerter Unfall abgeschlossen wird.“ Sommer nickt zufrieden. „Sabine soll in die Trainingsgruppe der beiden Mädchen gehen. Sie wird als ehemalige DDR Spitzenläuferin keinen Verdacht erregen und kann sich in aller Ruhe umschauen“, erklärt Ariane.

Dienstag, 12. Februar, Polizeipräsidium

„Nehmen Sie Platz, Herr Fricke. Haben Sie die Liste?“ Ariane weist mit ihrer Hand auf einen Stuhl. „Danke“, antwortet der schlanke Mittvierziger. „Ich habe Ihnen einen Auszug aus unserer Mitgliederdatei gemacht und auch Leute aufgeschrieben, die entweder noch nicht im Verein sind oder nur sporadisch kommen. Es wäre schön, wenn Sie diese furchtbare Sache so schnell wie möglich aufklären. Ich kann es gar nicht fassen. So etwas habe ich in meiner ganzen Trainerlaufbahn noch nicht erlebt.“ Max Sommer reicht dem zitternden Mann einen Kaffee.

„Aber, es gibt doch sicher auch Konkurrenzkampf unter den Läufern, oder?“, fragt er. Fricke nickt. „Ja, gut. Da ist vor den Wettkämpfen teilweise Zickenalarm. Doch das liegt nicht daran, dass sich die Mädels nicht grün sind, sondern eher an der normalen Anspannung. Ich kann mir keine vorstellen, die zu so etwas fähig ist. Für die Kinder lege ich meine Hand ins Feuer. Und auch von den Eltern ist niemand so ehrgeizig, mit unlauteren Mitteln zu arbeiten.“

Der Trainer hat Tränen in den Augen. Ariane sieht ihn mit verständnisvollem Blick an.

„Wir werden unsere Ermittlungen sehr diskret gestalten. Zunächst werden wir natürlich routinemäßig alle befragen und dabei kennenlernen. Wir wollen danach den Fall als Unfall nach außen hin abschließen. Das wird den Täter oder die Täterin in Sicherheit wiegen. Sagt Ihnen der Name Sabine Reichert etwas?“ Fricke starrt Ariane verblüfft an.

„Das ist nicht Ihr Ernst? Sabine war in den Siebzigern eine der Stars im DDR Paarlauf!  Allerdings hatte sie mit Irina Rodnina und deren Mann eine zu starke Gegnerin. Für ganz oben reichte es deshalb nicht. Ich gehörte damals auch zum DDR Team, nur trainierte ich in Berlin. Bei Meisterschaften trafen wir uns aber häufig.“ „Gut, Sie werden Sabine übermorgen wieder sehen. Sabine ist eine Kollegin und arbeitet in Husum. Sie wird undercover im Verein ermitteln. Ich möchte, dass sie in derselben Trainingsgruppe trainiert, wie die  verunglückten Mädchen.“ „Trainieren?“ Fricke sieht Ariane entgeistert an. „Sie wird die Mädchen auf Vordermann bringen. Eine bessere Trainerin kann ich mir gar nicht wünschen. Sie wird schnell das Vertrauen der Kids gewinnen und dann hat dieser Spuk hoffentlich bald ein Ende.“ „Gut, Herr Fricke. Das wars dann erst einmal von unserer Seite.“

Max führt den sichtlich erleichterten Trainer zur Tür. Der stutzt einen Moment. „Da ist noch etwas. Ich weiß nicht, ob es eine Bedeutung hat, aber…“ Max Sommer dreht Fricke wieder um und zeigt auf den Stuhl.  Der Mann setzt sich erneut. „Also, vor ein paar Wochen kam ein junger Mann zu mir. Er erzählte, seine Eltern wären Mitarbeiter einer Computerfirma und hätten mit ihm in Seattle gelebt. Nun soll der Vater hier eine Zweigstelle leiten und der Junge wollte nach dem High-School Abschluss seine Ausbildung zum Kameramann beginnen. Er lief bereits drüben bei nationalen Meisterschaften mit, erst im Einzel und dann im Paarlauf. Nun suchte er eine neue Partnerin und natürlich auch einen Trainer in Hamburg. Ich hatte ihn zum Probetraining in den Verein geladen, in die Leistungsgruppen, in der auch meine Mädels sind. Er war sofort von Miriam fasziniert, was natürlich bei ihrer Schönheit und ihrem Talent kein Wunder ist. Auch Tim sieht sehr gut aus. Und er ist in kurzer Zeit der Schwarm aller Mädels geworden. Mit Miriam kam er zusammen, die beiden sind auch privat ein Paar. Tatjana ist, war, seine Cousine, die Familie stammt ursprünglich aus Hamburg. Ich, ich wollte Ihnen das nur sagen. Bitte finden Sie heraus, wer ihr das angetan hat.“ Schwerfällig steht der Trainer auf und verabschiedet sich noch einmal.  „Danke“, antwortet Max Sommer. „Sie haben uns sehr geholfen, Herr Fricke.“ Er schließt die Tür, nach dem der Trainer den Raum verlassen hat.

„Was glaubst du?“, fragt er Ariane. „Ist das schon eine Spur?“ Ariane nickt. „Möglich, wir werden uns mit Tim unterhalten. Sabine wird sich die Situation im Verein ansehen.“

Dienstag, 19. Februar, Polizeipräsidium.

Max Sommer gibt seiner Husumer Kollegin Sabine Reichert einen Becher Kaffee. Ariane sieht schmunzelnd zu. Die Tür öffnet sich und Oberstaatsanwalt  Bernd Müller tritt ein, zusammen mit dem Dienststellenleiter, Frieder Jung. Die Männer nehmen neben den Schreibtischen Platz. Jung sieht Sabine an. Sie ergreift das Wort.

 „Ja, ich glaube, mein Freund Fricke hatte den richtigen Riecher. Die Wettbewerbe sind den Mädels weniger wichtig. Das war bei uns damals anders. Aber der schöne Tim hat so gut wie allen zwischen zehn und achtzehn Jahren den Kopf verdreht. Der einzige, der nicht von ihm schwärmt ist Christian, ein großes Talent, übrigens. Aber der ist erst zwölf und kann mit dem liebestollen Verhalten der Mädchen wirklich nichts anfangen.“ Müller fragt direkt: „Haben Sie schon einen konkreten Verdacht? Es geht hier um ein Kapitalverbrechen an einem sechzehnjährigen Mädchen!“ „Dafür ist es noch zu früh, mir fehlen Beweise“, antwortet Sabine. „Aber mir ist aufgefallen, dass sich eines der Mädchen sehr bedeckt hält und auch wenig Schwärmerei für Tim zeigt.“ „Gut, dann bleiben Sie dran und informieren mich, sobald Sie etwas haben“, entscheidet Jung. Er und Müller verabschieden sich und verlassen das Büro.

„Ich werde mich mit Tim unterhalten, er liebt Miriam sehr und er leidet unsäglich unter dem Tod von Tatjana“, erklärt Sabine. „Ich habe ihn vorgeladen. Er müsste eigentlich schon hier sein“,  meint Max. „Dann sollte er dich nicht sehen.“ Ariane zeigt auf das Büro neben an. Sie lässt die Tür einen Spalt offen, nachdem Sabine sich zurückgezogen hat. Es klopft. Max ruft laut: „Herein!“ Ein deprimiert wirkender junger Mann von achtzehn Jahren betritt das Büro.

 „Ich bin Tim Weber und soll mich bei Ihnen melden“, sagt er leise. Ariane steht auf und gibt ihm die Hand. „Ariane Kleibert. Kommen Sie, Herr Weber. Setzen Sie sich.“ Sie führt ihn zu ihrem Schreibtisch und lässt ihn auf dem Stuhl daneben Platz nehmen. „Bitte sagen Sie doch Tim. Und  Sie können mich auch gerne noch duzen.“

„Gut, Tim. Wie geht es Miriam?“ „Sie liegt im Krankenhaus, aber sie soll nächste Woche in die Reha. Die Ärzte wissen noch nicht, ob sie jemals wieder eislaufen kann.“ Tim fängt zu weinen an. Max legt ihm tröstend seine Hand auf die Schulter. „Tim, kannst du dir vorstellen, wer Miriam und Tatjana so etwas antun könnte?“ Tim schüttelt den Kopf.

Ariane blickt ihn bewundernd an. „Tim, du siehst verdammt gut aus, wenn ich das als erwachsene Frau mal sagen darf. Wenn ich sechzehn wäre, würde ich keine Nacht mehr ruhig schlafen können. Ist dir bei den Mädchen nichts aufgefallen?“

„Doch, natürlich. Ich weiß, welche Wirkung ich auf Frauen habe. In den Staaten war es ähnlich. Aber, ich will doch nur eislaufen und einen Beruf lernen. Ich kann doch nichts dafür.“ Ariane seufzt.

„Tim, ich möchte, dass du dich erinnerst. Für uns ist jede Kleinigkeit wichtig. Wie war es, als du Miriam und die anderen das erste Mal gesehen hast? Hat sich eines der Mädchen merkwürdig verhalten, nachdem du mit Miriam zusammen gekommen bist? Ihr seid ja nicht nur auf dem Eis ein Paar. Wie war dein Verhältnis zu Tatjana?“, fragt Max eindringlich.

Tim putzt sich die Nase. „Als Miriam verunglückte, kam Irina auf mich zu. Irina Schreiber. Sie fragte, ob was mit Miriams Schuhen sei, das fand ich merkwürdig, denn es hieß nur, dass sie gestürzt wäre und einen Unfall gehabt hätte.“ Ariane hebt den Kopf.

„War im Verein bekannt, dass Tatjana deine Cousine war? Warst du irgendwann einmal mit ihr nach Miriams Unfall allein? Hat euch jemand aus dem Verein gesehen?“ Tim überlegt.

„Also, dass ihre Mutter eine Schwester meiner Mutter ist, weiß eigentlich nur Herr Fricke. Ich bin ja auch erst seit ein paar Monaten hier. Als ich aus dem Indoo kam, da traf ich Tatjana. Sie hat mich trösten wollen und an der Bushaltestelle gab sie mir zum Abschied einen Kuss. Aber das war doch harmlos, sie war meine Cousine und ich liebe Miriam!“

„Erinnre dich, Tim. Wer war außer euch im Indoo? Es ist sehr wichtig. Womöglich sind alle Mädchen, die dir jetzt nahe stehen, in Lebensgefahr!“, weiß Ariane. Max sieht ihr ins Gesicht. Beide Kriminalbeamte denken dasselbe.

„Ich glaube, ich habe Irina und Conny gesehen. Sie kamen aus Richtung Dom“, meint Tim. „Aber, Sie glauben doch nicht…?“

Max Sommer geht auf den Jungen zu. „Tim, du willst doch auch, dass wir den Tod von Tatjana aufklären? Dann darfst du jetzt niemand, auch deinen Eltern nicht, etwas von unserem Gespräch erzählen. Du kannst aber gehen, und wenn dir noch etwas einfällt, gebe ich dir hier meine Karte.“ Max nimmt eine Visitenkarte aus der Tasche und reicht sie dem verstörten und gleichzeitig erleichtert wirkenden Jungen.

 

Mittwoch, 20. Februar, Polizeipräsidium

Sabine Reichert, Ariane und Max sitzen im Büro. „Ich bin mir sicher, dass es Irina ist. Aber wie sollen wir ihr die Anschläge beweisen?“ Sabine sieht Ariane und Max fragend an. Max antwortet: „Wir können eine Hausdurchsuchung beantragen und wenn wir den Schraubenzieher, der seine Kratzspuren im Schraubengewinde der Schlittschuhe der beiden Mädchen hinterlassen hat, finden, ist sie überführt.“

„Das tun wir auch. Aber wir müssen sie zusätzlich auf frischer Tat ertappen. Dann haben wir bessere Karten im Verhör“, erklärt Ariane. „Du meinst, sie knickt schneller ein, wenn wir ihr eine Falle stellen und sie wieder eine vermeintliche Nebenbuhlerin ausschalten muss?“, vollendet Sabine den Gedankengang der Kollegin. „So ist es. Welchen Eindruck macht Irina auf dich? Mir erschien sie krankhaft eifersüchtig zu sein?“, meint Ariane. Sabine Reichert nickt. „Mir auch.“

„Darf ich mich mal in euer Gespräch von Frau zu Frau einschalten? Ihr wollt doch nicht allen Ernstes noch ein Mädchen in Gefahr bringen? Da läuft eine Psychopathin herum, die den Tod einer Nebenbuhlerin in Kauf nimmt, damit sie sich Tim angeln kann! Wen wollt ihr als Lockvogel einsetzen? Ihr seid ja nicht bei Trost!“ Max ist entsetzt.

„Ganz ruhig, Max“, sagt Sabine. „Du hast völlig Recht. Wir müssen schnell handeln, bevor eines der Mädchen zum nächsten Opfer wird. Ich war auch in den Erwachsenengruppen und habe dort eine Bekannte getroffen. Wir haben großes Glück. Sie ist eine Kollegin von uns und sie hat mir erzählt, dass sie zurzeit bei der Streifenpolizei in Elmshorn Dienst macht. Sie heißt Cordula und ist einundzwanzig. Sie kann mit Tim zusammen den Lockvogel spielen. Wenn ihr einverstanden seid, müssen wir nur noch unsere Chefs informieren. Cordula soll am Montagabend nach Farmsen kommen. Dann hab ich alles im Blick.“

„Nein, das machst du nicht allein. Max wird sich als Anfänger in die Montagabendgruppe einschleusen und auf euch aufpassen.“ Ariane schmunzelt und wird dann wieder ganz ernst. Max starrt sie an.

„Das meinst du doch nicht wirklich? Ich und Schlittschuhlaufen, das ist wie Feuer und Wasser. Ich habe schon als Junge keinen Spaß am Eishockey gehabt, weil ich ständig auf der Nase lag. Sucht euch jemand anderes!“

„Nein, Herr Sommer, das machen Sie. Und das ist ein dienstlicher Befehl.“ Frieder Jung hat die Worte seiner Mitarbeiterin mitbekommen, als er unangemeldet das Büro betritt. Er will den Fall so schnell wie möglich gelöst wissen. „Ein wenig Bewegung tut Ihnen bestimmt gut, Sommer. Und Frau Reichert wird schon einen anständigen Eisläufer aus Ihnen machen. Wer weiß, vielleicht bringen Sie es noch zur Meisterschaft! Spaß beiseite, bitte tun Sie alles, um die Sache zum Abschluss zu bringen. Stellen Sie der mutmaßlichen Täterin eine Falle, bevor noch einmal ein unschuldiges Mädchen zu Schaden kommt.“

Max fasst sich mit beiden Händen an den Kopf. „Womit hab ich das verdient?“

Montagabend, in der Eishalle

Cordula hat angefangen mit Tim zu flirten und sich dabei den Zorn aller Mädchen zugezogen, die ihr unmissverständlich zu verstehen gaben, dass Tim zu Miriam gehört. Irina schweigt, aber sie sieht Cordula seitdem mit sehr verklärten Augen an. Das Training hat noch nicht begonnen. Tim und Cordula werfen ihre Sporttaschen in die Umkleidekabine und laufen kichernd in den Vorraum, in dem sich beim Publikumslauf auch der Imbisskiosk befindet. Sie verstecken sich dahinter und tun so, als wenn sie sich küssen. Irina folgt ihnen leise. Sie hat genug gesehen, dreht sich um und kehrt in den Umkleideraum zurück.

Sie nimmt einen Schraubenschlüssel aus ihrer Tasche und zieht einen von Cordulas Schlittschuhen aus deren Sportbeutel heraus. Dann beginnt sie, die Schrauben zu lockern. Max Sommer steht hinter der Toilettentür im Duschraum. Auch Ariane ist zugegen und beobachtet das Mädchen aus der Nebenkabine. Sie tritt heraus.

„Polizei. Irina, du bist festgenommen. Du stehst unter dem dringenden Tatverdacht, Tatjana Krüger getötet und Miriam Wagner schwer verletzt zu haben.“ Max kommt ebenfalls aus seinem Versteck hervor. Auch Cordula und Tim erscheinen. Irina blickt teilnahmslos von einem zum anderen. „Ihr versteht gar nichts. Er gehört mir und keine nimmt ihn mir weg.“